Motorsport und sein Beitrag für die Gesellschaft

#Rahmenbedingungen #Umwelt- und Naturschutz #Fahrzeugtechnik #Weitere Technologien
Die FIA hat beim unabhängigen Innovationsberatungsunternehmen Futerra einen „Bericht über den Beitrag des Motorsports zu Gesundheit, Sicherheit und Umwelt“ in Auftrag gegeben. Dabei werden insgesamt 26 Innovationen vorgestellt, die aus dem Motorsport kommen oder an denen Motorsportteams, hersteller und -serien beteiligt waren, die positive Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt hatten oder haben. Dabei reicht die Palette von der Unterstützung medizinischer Produkte durch Formel-1-Technologie bis zu auch für Menschen in ärmeren Ländern bezahlbaren Motorradhelmen oder halbautomatischen Getrieben, die Schaltvorgänge fehlerloser machen und gleichzeitig für effizientere Nutzung der durch den Motor erbrachten Energie sorgen.

Wie kaum eine andere Sportart verbindet der Motorsport extreme körperliche Leistung und herausragenden technischen Erfindergeist. Das hat auch positive Auswirkungen auf das tägliche Leben und das nicht nur im Bereich „Mobilität“.

In ihrem „Bericht über den Beitrag des Motorsports zu Gesundheit, Sicherheit und Umwelt“ stellt die FIA 26 Motorsportinnovationen mit positiven Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt vor. Um eine strenge und externe Expertenmeinung zu erhalten, beauftragte sie die Innovationsberatungsunternehmen Futerra mit der Erstellung des Berichts.

Die 26 Beispiele sind in sechs Themenbereiche unterteilt.

  • A – Bessere Gesundheitsversorgung
  • B – Grüneres Leben
  • C – Sicherere Verkehrsteilnehmer
  • D – Bessere Elektrik
  • E – Effizienz
  • F – Weitere Projekte

A – Bessere Gesundheitsversorgung

1. Ein Rennen gegen die Pandemie

Während der Corona-Pandemie brachte in vielen Ländern die hohe Anzahl an Patienten, die beatmet werden mussten, die Krankenhäuser an ihr Limit. Auch in England waren spezielle Beatmungsgeräte Mangelware. Unter dem „Project Pitlane“ kamen Experten aus sieben Formel 1-Teams zusammen, um eine Lösung zu finden. Das Mercedes-UCL-Team lieferte innerhalb eines Monats 10.000 Geräte an die britische Regierung. Zudem machte das Team die Entwürfe öffentlich und diese wurden in 105 Ländern eingesetzt.

2. Zusammenarbeit in der Krise

Das „Ventilator Challenge UK Consortium“ brachte Unternehmen zusammen, um Beatmungsgeräte für die Covid-19-Pandemie herzustellen. Darunter befanden sich auch acht in Großbritannien ansässige Formel-1-Teams. Jedem Unternehmen wurde eine spezielle Aufgabe zugeteilt. So war etwa die McLaren Gruppe für die Herstellung von Komponenten zuständig. Innerhalb von fünf Wochen produzierte das Unternehmen über 70.000 komplexe Teile und 15.000 Beatmungswagen.

3. Echtzeiterfassung von Gesundheitsdaten

In der Formel 1 unterliegen nicht nur die Fahrzeuge einer ständigen Kontrolle so ziemlich aller Komponenten, sondern auch die Piloten. Jeder Fahrer trägt eine Reihe von Sensoren, um sein Team über seine Vitaldaten auf dem Laufenden zu halten. Diese Echtzeitüberwachung ist auch für das Gesundheitssystem von großer Bedeutung. Deswegen hat sich McLaren 2015 mit Isansys Lifecare für eine Forschungsstudie am Birmingham Children's Hospital zusammengetan. Im Fokus stand die Überwachung schwerkranker Kinder.

Das RAPID-System (Real-Time Adaptive and Predictive Indicator of Deterioration) von Isansys und McLaren ermöglichte die Überwachung von Herzfrequenz, Atemfrequenz und Sauerstoffgehalt. Alle Daten wurden über Bluetooth an das Isansys-Gateway in der Nähe des Patientenbettes übertragen und boten eine Echtzeitanzeige der Vitalparameter. Mit Hilfe der Sensoren müssen die Kinder nicht im Bett bleiben und an Maschinen angeschlossen sein.

4. Transplantationstechnologie

Die Ausbildung von Chirurgen, vor allem in hochspezialisierten Bereichen, ist teurer. McLaren Applied Technology und die Universität Oxford setzten drahtlose Sensoren ein, um neue Chirurgen auszubilden und ihre Fähigkeiten zu überwachen. Ein Sensor wird während eines Eingriffs am Ellbogen eines Chirurgen angebracht und liefert Daten für Echtzeitanalysen. Die Sensoren verfolgten die Bewegungen der Hände und Handgelenke und ermöglichten so eine objektive Bewertung der wichtigsten Fähigkeiten, einschließlich Geschicklichkeit und Geschwindigkeit.

5. Die sicherste Krippe der Welt

Manchmal benötigen Neugeborene so schnell wie möglich spezielle Hilfe, die nicht am Ort der Geburt geleistet werden kann. Der Notfalltransport muss in einer sichtbaren, zugänglichen und temperaturgeregelten Umgebung stattfinden. Herkömmliche Inkubatoren haben erhebliche Nachteile: Sie wiegen bis zu 120 Kilogramm, benötigen eine Stromquelle und sind teuer.

Williams nahm sich des Problems an und entwickelte den Baby Pod 20. Er wurde aus denselben Kohlefaser-Sicherheitszellen hergestellt, die auch für das Chassis eines Formel-1-Autos verwendet werden. Der Pod ist stark genug, um selbst einem Aufprall mit 20 g standzuhalten, und wiegt dabei nur sieben Kilogramm. Die Trage benötigt keinen Stromanschluss und kann an jeder Transporttrage in einem Krankenwagen, Auto oder Hubschrauber befestigt werden. Darüber hinaus ist der Baby Pod 20 wesentlich billiger als ein herkömmlicher Inkubator.

6. Operation „Boxenstopp“

Die Übergabe von Patienten nach Operationen ist ein komplexer und stressiger Prozess, bei dem es in Großbritannien immer wieder zu Fehlern kam. Notwendige Maschinen waren nicht vorbereitet oder die falschen Medikamente wurden verabreicht. Zwei Ärzten des Great Ormond Street Hospital kam bei der Fernsehübertragung eines Formel-1-Rennens die entscheidende Idee.

Sie besuchten Ferrari in Italien, um einen Boxenstopp vor Ort zu beobachten. Sie lernten schnell, dass eine strenge Routine unerlässlich ist. Die Crews übten ihre eigene Rolle bis zur Perfektion. Und obwohl jeder seine eigene Aufgabe hatte, behielt der „Lollipop-Mann” die Gesamtsituation im Auge. Außerdem führte jedes Mitglied der Boxencrew seine Aufgabe in der Regel in aller Ruhe aus, ganz im Gegensatz zum chaotischen Gesprächsfluss bei einer Krankenhausübergabe.


B – Grüneres Leben

7. Kühlen und Energie sparen

Die Kühltheken in Supermärkten geben viel kalte Luft an die Umgebung ab und haben somit einen hohen Energieverbrauch. Williams Advanced Engineering hatte die Idee, wie bei einem Formel-1-Auto den Luftstrom zu manipulieren.

In Zusammenarbeit mit dem Aero- und Thermodynamikspezialisten Aerofoil Energy entwickelte Williams einen Aerofoil – ähnlich dem Heckflügel eines Rennwagens. Dieser leitet die kalte Luft zurück in den Kühlschrank, wodurch der Kühlerlust verringert und Energie gespart wird.

Die Aerofoils werden nun in allen Sainsbury's-Filialen eingesetzt, wodurch der Energieverbrauch um 15 Prozent gesenkt und mehr als 8.700 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.

8. Datenmassen bewältigen

Die Masse an Daten, die in der Formel 1 während eines Rennwochenendes gesendet wird, ist unglaublich hoch. Jedes Fahrzeug sammelt während eines Rennens mehrere Gigabyte an Sensordaten. Das Team in der Box nutzt diese in Echtzeit, um Anpassungen vorzunehmen. Zusätzlich werden die Daten an eine „Remote Garage“ im Headquarter des Teams gesendet. Dort können die Ingenieure alle Aspekte eines Rennens überwachen. Im Durchschnitt belaufen sich diese Daten auf 350 GB pro Rennwochenende. Der Bedarf an schneller Datenübertragung hat die drahtlosen Technologien immer wieder vorangetrieben und somit auch den Weg für 5G-Konnektivität geebnet.

9. Von vier zu zwei Rädern

Elektrofahrräder werden immer beliebter. Doch sie haben oft einen entscheidenden Nachteil: Sie sind schwer und klobig. Williams Advanced Engineering entwickelte zusammen mit Brompton, dem größten britischen Fahrradhersteller und Spezialist für faltbare Fahrräder, ein faltbares Elektrofahrrad.

Das Kernprodukt von Brompton war bereits leicht, aber noch nicht elektrobetrieben. Nach fünf Jahren Arbeit präsentierten sie ein Fahrrad auf Basis der Formel-E-Technologie. Es verfügt über einen 300-Wh-Akku, der nur 2,8 kg wiegt und separat herausgenommen und transportiert werden kann.  Das gesamte Fahrrad wiegt zudem nur 16 Kilogramm.

10. Leichte Flugzeugsitze

Sitze in Verkehrsflugzeugen werden derzeit aus schwerem Aluminium hergestellt, weil die Hersteller nur über wenig Erfahrung mit leichteren Verbundwerkstoffen verfügen. Williams entwickelt eine neue, von der Formel 1 inspirierte Sitzkonstruktion aus Kohlefaser, um das Gewicht pro Sitz um fünf Prozent zu reduzieren. Die sich daraus ergebende Einsparung von Flugzeugtreibstoff würde bei einem Dutzend Flugzeugen 942.000 kg CO2 pro Jahr ausmachen – bei einer Gewichtseinsparung von nur vier Kilogramm pro Sitz.

11. Aerodynamische Architektur

Windkanäle werden schon seit Jahren eingesetzt, um in einer kontrollierten Umgebung die Luftströmungen um ein Objekt sichtbar zu machen. Doch sie sind teuer, die Arbeit mit ihnen zeitaufwändig und unglaublich energieintensiv. Die numerische Strömungsmechanik (CFD) macht die aerodynamischen Untersuchungen innerhalb einer Computersimulation möglich.

Die CFD kann auch zur Analyse von Windverwehungen durch Wolkenkratzer, die für Fußgänger gefährlich werden können, eingesetzt werden. Die Planungsbehörden verlangen oft den Nachweis, dass die Verwehungen keine Probleme verursachen.

Traditionell nutzen Architektenteams Windkanaltests mit maßstabsgetreuen Modellen (1:250). Dennoch bleibt es schwierig, die tatsächlichen Auswirkungen eines Gebäudes genau festzustellen. Da kann CFD weiterhelfen. Das Unternehmen Wirth Research, das vom ehemaligen Besitzer des Formel-1-Teams und CFD-Pionier Nick Wirth geleitet wird, setzt auf das Know-how aus dem Motorsport, um die architektonischen Berechnungen vorzunehmen. So war das Wirth-Team beispielsweise beratend an der Planung von 22 Bishopsgate beteiligt, einem geplanten 278 m hohen, 62-stöckigen Turm in der Londoner City.


C – Sicherere Verkehrsteilnehmer

12. Sichere Helme

Zwei wichtige Projekte zur Helmsicherheit sind im Gange. Zum einen die Schaffung eines neuen internationalen Systems zur Sicherheitsbewertung. Verbraucher sollen anhand von Sicherheitskriterien ihre eigenen Helme vergleichen und auszuwählen können. Zum anderen soll ein kostengünstiger Motorradhelm mit hohem Standard möglichst große Verbreitung finden, um weltweit Leben zu retten. Der Helm soll in Schwellenländern erhältlich sein, in denen das Verletzungs- und Todesrisiko für Motorradfahrer am höchsten ist. Allein in Asien gibt es etwa 240 Millionen Motorräder, Mopeds und Motorroller – 80 Prozent des weltweiten Bestandes.

13. Virtuelle Crashtests

Verheerende Wirbelsäulenverletzungen sind bei Unfällen sowohl auf Rennstrecken als auch auf der Straße häufig zu beobachten. Allerdings ist es bei Crashtests kaum möglich, mit herkömmlichen Dummys die Auswirkungen auf die Wirbelsäule zu untersuchen. Hinzu kommt, dass physikalische Crash-Simulationen schwer zu wiederholen sind.
Deshalb hat die FIA zusammen mit Toyota die Software Total Human Model For Safety (THUMS) eingesetzt. THUMS ist eine der weltweit leistungsstärksten Simulationen des menschlichen Körpers. Aber wie bei jedem Datenmodell hängt die Qualität der Ergebnisse von der Qualität der Eingaben ab. Insbesondere benötigt THUMS sehr detaillierte, reale Fälle von Hochgeschwindigkeitsunfällen. Diese Daten kann der Motorsport liefern. Bei professionellen Rennen sind Fahrzeuge und Fahrer mit Sensoren ausgestattet, zudem liegt oft detailliertes Videomaterial vor. Detaillierte medizinische Informationen sind in der Regel nach einem Unfall ebenfalls verfügbar.

Das Projekt lieferte zahlreiche Erkenntnisse zur Vermeidung von Wirbelsäulenverletzungen beim Aufprall. Das LMP1-Reglement wurde für 2020/21 geändert und schreibt eine andere Sitzposition vor, um den Druck zwischen den einzelnen Wirbeln zu verteilen. Auch im Cross-Country-Rallyesport wurden Anpassungen vorgenommen.

14. FIA-Stiftung für Verkehrssicherheit, Umwelt und nachhaltige Mobilität

Die FIA-Stiftung wurde 2001 gegründet, um ein internationales Programm für Verkehrssicherheit, Umwelt und nachhaltige Mobilität zu fördern. Global NCAP gehört zu den wichtigsten Partnern. Ihre Einschätzung für neue Autos hat Tausende Leben gerettet (schätzungsweise 78.000 durch Euro-NCAP).

Die FIA-Stiftung ist auch der wichtigste Geldgeber für iRAP, die sich um die Sicherheit auf Straßen weltweit bemüht. Allein durch Maßnahmen an den gefährlichsten zehn Prozent der Straßen der Welt könnten 50 Prozent der Verkehrstoten verhindert werden. Die iRAP-Sterne-Bewertungen sind ein einfaches und objektives Maß für das Sicherheitsniveau, das eine Straße für Fahrzeuginsassen, Motorradfahrer, Radfahrer und Fußgänger bietet. Auch die UN orientieren sich an diesen Bewertungen. So sollen nach den UN-Zielen für Nachhaltigkeit 3 und 4 alle Straßen für alle Verkehrsteilnehmer mindestens 3 Sterne in der Bewertungsskala haben.


D – Überlegene Elektrik

15. Schnelles Laden

Die FIA-Formel-E-Weltmeisterschaft will mit dazu beitragen, die Elektromobilität weltweit zur Realität zu machen, aber es bestehen natürlich noch Hindernisse. Das Reglement hat zu einigen Innovationen im Bereich Energiemanagement und Effizienz geführt. Die dritte Generation der Formel-E-Fahrzeuge soll den Fortschritt bei der Schnellladetechnik darstellen. So wird bei den Boxenstopps das „Blitzladen“ eingeführt: 30 Sekunden lang mit 600 kW laden und dabei etwa zehn Prozent der Batteriekapazität wieder auffüllen. Dies ermöglicht nicht nur längere Rennen, sondern kann dem normalen Verkehr neue Leistungsdimension für Kfz-Ladungen eröffnen.

16. Mehr als Batterien

Die Formel E will beweisen, dass Elektrofahrzeuge mehr sein müssen – mehr als nur eine nachhaltige Form des Antriebs. Für den Kühlschacht des neuesten Rennwagens ersetzte BMW Kohlefaser durch Flachs. Der deutsche Hersteller forscht bereits, wie das Material in anderen Rennwagen eingesetzt werden könnte, bevor es schließlich auf die Straße kommt. Weiterhin versuchen die Teams und Hersteller das Gewicht der Fahrzeuge zu reduzieren und auch andere neue Materialien zu nutzen.

17. Software-Lösungen

Erkenntnisse aus dem Motorsport auf die Straße zu bringen, dauert normalerweise seine Zeit. Zudem können meistens nur in neuen Serienfahrzeugen Innovationen umgesetzt werden. Jaguar hat die Erkenntnisse aus der Rennserie „I-Pace Trophy“ genutzt, um die Kundenmodelle in verschiedenen Bereichen zu verbessern und die Reichweite um 19 km zu erhöhen. Dies geschah etwa durch eine optimierte Energierückgewinnung oder durch die Verbesserung der Batteriekapazität. Dafür musste keine Schraube am Fahrzeug gelöst, sondern nur ein Software-Update durchgeführt werden.

18. Mehr Spannung für schnelleres Laden

Schnelles Laden ist eine dringende Notwendigkeit für die breite Einführung von Elektrofahrzeugen. Porsche setzte bei seinem siegreichen Hybridfahrzeug aus der FIA WEC auf 800 Volt – in fast allen Elektrofahrzeugen ist ein 400-Volt-Stromnetz verbaut. Porsche baut das Rennsport-System nun im Taycan ein und bringt es damit auf die Straße. Diese Art von Fahrzeugen ermöglicht ein schnelleres und leistungsfähigeres Aufladen, ohne dass große Ladekabel erforderlich sind. In weniger als zehn Minuten kann die Batterie eine zusätzliche Reichweite von bis zu 180 Kilometern bieten.


E – Effizienz

19. Ein Blick in die Vergangenheit

Der Beitrag des Motorsports zur Gesellschaft ist nicht neu, sondern findet seit über einem Jahrhundert statt. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden in Rennwagen noch hydraulische Trommelbremsen verwendet, die bei Nässe gefährlich werden konnten und zu Überhitzung neigten. Doch Jaguar erkannte die vielen Vorteile der Scheibenbremse, die in der Luftfahrtindustrie entwickelt wurden. In Le Mans 1953 war der Jaguar C-Type mit Scheibenbremsen ausgestattet. Noch vor dem ersten Weltkrieg hatten drei Mechaniker und ein Motorenexperte (Paolo Zuccarelli, Jules Goux, Georges Boillot und Ernest Henry) eine revolutionäre Idee: die weltweit erste doppelte obenliegende Nockenwelle (DOHC). Diese „alte“ Idee ist heute weltweit in Fahrzeugen zu finden.

20. Der elektrische Turbo

Der Verbrennungsmotor kann parallel zum Ausbau der Elektromobilität noch verbessert werden. Mit einer aus der Formel 1 abgeleiteten Technologie bietet der elektrifizierte Turbo eine Möglichkeit, Turbo-typische Verzögerungen zu beseitigen und somit die Effizienz zu steigern. Ein solches System nutzt einen Elektromotor, um den Turbo auch bei niedrigen Drehzahlen am Laufen zu halten, wenn der Abgasfluss zu gering ist. Er wird zunächst in Hochleistungsfahrzeugen zum Einsatz kommen, später aber auch in normalen Straßenfahrzeugen.

21. Halbautomatische Getriebe

Die Paddelschaltung wurde 1989 von John Barnard erfunden, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, indem er die für das Schalten benötigte Zeit verkürzte. Das neue sequenzielle, halbautomatische Schaltsystem erreichte schließlich die Sportwagen und ist heute auch bei den normalen Straßenfahrzeugen angekommen.

Es handelt sich um ein halbautomatisches Getriebe, bei dem der Computer bei Bedarf noch eingreifen kann. So blockiert er beispielsweise den Gangwechsel, wenn der Fahrer falsch hoch- oder herunterschaltet oder beide Schalthebel gleichzeitig betätigt. Es können schnellere Geschwindigkeiten erreicht werden als mit einem manuellen Getriebe, da die Schaltvorgänge nahtlos erfolgen und menschliche Fehler vom Computer korrigiert werden.

22. Vorkammerverbrennung

Die Beschränkung des Kraftstoffflusses im Motorsport löste eine Periode rascher technologischer Innovationen aus. Neben mehreren Durchbrüchen in der gesamten Power Unit wurden auch enorme Fortschritte im Verbrennungsprozess erzielt. Es geht um die sogenannte Vorkammerverbrennung. Bei der Düsenzündung wird die herkömmliche Zündkerze durch eine Vorrichtung ersetzt, die es ermöglicht, einen winzigen Teil des Kraftstoffs in einer Vorkammer zu entzünden. Dieser verbrannte Kraftstoff schießt dann zusammen mit heißer Luft durch winzige Löcher und entzündet den Rest des Kraftstoffs als Ganzes. Das Ergebnis ist eine gleichmäßige und schnelle Verbrennung, bei der mit weniger Kraftstoff mehr Leistung erzeugt werden kann.  

23. Verringerung des Rollwiderstandes

Bis zu 25 Prozent der von Fahrzeugen verbrauchten Energie wird für die Überwindung des Rollwiderstands verwendet. In der FIA-Formel-E-Weltmeisterschaft wird ausschließlich mit Michelin-Reifen gefahren. Für die Serie wird eine ganz spezielle Gummimischung verwendet, die später auch für Straßenfahrzeuge eingesetzt werden soll. Die 18-Zoll-Reifen verfügen über Rillen und ein asymmetrisches Profil und können auf nasser und auf trockener Fahrbahn verwendet werden. Der Motorsport bietet ein erstklassiges Testfeld für Reifentechnologien, die denen von Straßenfahrzeugen ähnlich sind. Die nächste Generation von Reifen wird leichter, vernetzter und nachhaltiger denn je sein.

F – Weitere Projekte
24. 3D-Druck

Die herkömmliche Herstellung von Prototypenteilen kann zeitaufwendig und kostspielig sein. In der Formel 1 werden bis zu 80 Prozent der Bauteile eines Rennwagens im Laufe einer Saison neu konstruiert. Mit 3D-Drucktechniken können Prototypen in großer Geschwindigkeit, mit nahezu perfekter Präzision und in kleinen Mengen hergestellt werden. Der Abfall (und der Energieverbrauch) werden reduziert, da die Teams nur das herstellen, was sie benötigen. Nach Angaben von Renault enthielten die beiden F1-Autos für 2019 zu einem bestimmten Zeitpunkt der Saison jeweils etwa 100 3D-gedruckte Teile. Die Zusammenarbeit mit Herstellern von additiven Verfahren trägt dazu bei, die Technologie auf die nächste Stufe zu heben.

25. Alternative Kraftstoffe

Die Formel 1 hat angekündigt, dass sie bis zum Jahr 2030 einen kohlenstofffreien Betrieb anstrebt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Rennen mit einem zu 100 Prozent nachhaltigen Kraftstoff gefahren werden. Die FIA investiert über ihren Innovationsfonds in die Forschung, um die Entwicklung eines zu 100 Prozent erneuerbaren Rennkraftstoffs zu unterstützen. Geplant ist die Entwicklung von Biokraftstoffen der dritten Generation (aus Algen) oder alternativ von E-Kraftstoffen, bei deren Herstellung CO2 gebunden wird. Mit der Entwicklung dieser Arten von Kraftstoffen soll sichergestellt werden, dass sie sich nahtlos in jede erdölbasierte Infrastruktur integrieren lassen, ohne dass Änderungen vorgenommen werden müssen. Das ehrgeizige Ziel ist es, bereits 2026 einen CO2-neutralen Kraftstoff zur Verfügung zu haben.

26. Das ultimative Vorzeigeprojekt

Die nachhaltige Mobilität hat ein großes Hindernis zu überwinden, und das hat weniger mit der Technik als mit der Wahrnehmung zu tun. Es geht nicht um Reichweitenangst oder Fahrleistung – es geht um Coolness. Der Motorsport hat die Möglichkeit, das Verhalten und die Wahrnehmung der Menschen zu verändern. Gemeinsam bieten die FIA-Meisterschaftsformeln das weltweit ultimative technologische Schaufenster für nachhaltige Mobilität.