Praxis-Projekt weist Praxistauglichkeit von synthetischem Kraftstoff im Motorsport nach

#Fahrzeugtechnik
Motorsport mit Verbrennungsmotoren aber ohne die Nutzung fossiler Kraftstoffe – ist das möglich? Dieser Frage widmete sich ein von der ADAC Stiftung gefördertes Forschungsprojekt in Kooperation mit dem DMSB. Die Wissenschaftler kamen dabei nicht nur zu einem positiven Fazit. Mit dem ADAC XC Cup wurde außerdem ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, bei dem fossilfreier Kraftstoff zu einer deutlichen Senkung des CO2-Fußabdrucks führte.

Bezahlbarer Breitensport gehört zu den wichtigen Einflussfaktoren bei der Frage der Zukunftsfähigkeit des gesamten Motorsports. Schließlich benötigt jede Sportart einen sportlichen Unterbau, in dem begeisterte Amateursportler ihr Betätigungsfeld finden, wo sich aber auch Talente entwickeln können. Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Diskussion um die technologische Fortentwicklung im gesamten Mobilitätssektor ist der Aufbruch in eine nachhaltigere Zukunft deshalb auch im Breitensport von hoher Relevanz.

Da gerade in diesem Sektor die (Weiter-) Verwendung einmal aufgebauter Fahrzeuge häufig entscheidend ist, besteht ein wichtiges Zwischenziel darin, existierende Verbrennungsmotoren mit erneuerbaren Kraftstoffen zu betanken. Dies gelingt aber nur, wenn der Motor den genutzten Treibstoff ohne weitere Probleme nutzen kann.

Diese Fragestellung war Ausgangspunkt einer Studie, die das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe der TU Darmstadt (VKM) in Kooperation mit dem DMSB e.V. durchführte. Im Rahmen der von der ADAC Stiftung geförderte Forschungsarbeit wurden in einem mehrstufigen Verfahren die technischen Randbedingungen untersucht, die Verwendung von erneuerbaren Kraftstoffen im Amateur-Motorsport getestet und schließlich im Rahmen eines Pilotprojekts eingeführt.

Machbarkeitsstudie bildete den Ausgangspunkt

Die Wissenschaftler gingen im Rahmen der Projektarbeit methodisch vor und legten zunächst eine empirische Markt- und Machbarkeitsstudie auf. In ihr wurden technische, ökonomische und ökologische Anforderungen definiert, die bei der Nutzung klimaneutraler Treibstoffe im Amateur-Motorsport erfüllt werden müssen. Mit den so gefundenen Bedingungen konnten anschließend potenziell geeignete Kraftstoffe identifiziert und hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten bewertet werden.

Um die theoretischen Überlegungen mit Praxisergebnissen zu untermauern, wurden zudem Untersuchungen am Motorenprüfstand des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe der TU Darmstadt (VKM) durchgeführt. Dabei wurde die Verwendung von konventionellem (also fossilem) Benzin für Ottomotoren mit den als potenziell geeignet identifizierten fossilfreien Alternativkraftstoffen verglichen. Insbesondere die unterschiedlichen Potenziale im Zünd- und Verbrennungsverhalten sowie zur Reduktion von Schadstoffemissionen waren von besonderem Interesse. Die hier gewonnen Ergebnisse dienten danach zur Eingrenzung technischer Rahmenbedingungen.

Geeigneter Treibstoff wurde identifiziert

Um den Schritt von der Theorie zur Praxis zu gehen, wurde schließlich ein geeigneter Kraftstoffkandidat ausgewählt, mit dem die Pilotanwendung im Amateur-Motorsport umgesetzt werden sollte. Der 100 Prozent fossilfreue Kraftstoff stammt vom Hersteller P1 Performance Fuels GmbH (Berlin). Als Ausgangsprodukte fließt in ihn etwa Biomasse aus landwirtschaftlichen und anderen nicht-fossilen Quellen ein. Aus diesen wird unter Nutzung erneuerbarer Energie in einem mehrstufigen Produktionsprozess ein CO2-neutraler Kraftstoff hergestellt. Er entspricht der europäischen Norm für Ottokraftstoff (DIN EN 228 E5) und erfüllt das technische Reglement des Automobil-Weltverbandes FIA (Appendix J, Art. 252.9).

Die Vorteile des identifizierten Kraftstoffs auch für den Motorsporteinsatz lagen also auf der Hand. Zum einen konnte die bereits bestehende Motorentechnologie weiterverwendet werden, statt neue Triebwerke notwendig zu machen. Eingesparte Entwicklungskosten einerseits und die Weiterverwendung bestehender Einsatzgeräte andererseits waren auch unter Nachhaltigkeitsaspekten wichtige Argumente.

Der Pilotanwendung des favorisierten Kraftstoffs gingen vorgelagerte Untersuchungen am hochdynamischen Motorenprüfstand des VKM voraus. Dabei wurde mit einem dem Reglement entsprechenden Dreizylinder-Motorradmotor die Bestandskompatibilität nachgewiesen. Außerdem konnten die Potenziale des fossilfreien Kraftstoffs zur Schadstoffreduktion aufgezeigt werden. Ein gewichtiger Punkt war dabei auch der Nachweis, dass Leistungs- und Drehmomentverläufe von fossilem und fossilfreiem Kraftstoff identisch ausfielen und auch der Kraftstoffverbrauch sich nicht änderte. Auch in den begleitenden Fahrversuchen mit einem Cross-Car sowie einem Serien-PKW verdeutlichten die Potenziale und die erfolgreiche Anwendbarkeit des erneuerbaren Kraftstoffes.

ADAC XC Cup zeigt als Pilotprojekt die Praxistauglichkeit

Als letzter Schritt für die Umsetzung in der Praxis fehlte schließlich eine geeignete Rennserie. Diese wurde in Form des neu ins Leben gerufenen ADAC XC Cup geschaffen – einer Autocross-Serie mit einheitlichen, 70 bis 120 PS starken Cross-Cars. Als Projektpartner wirkten dabei Verantwortliche aus dem ADAC Ressort Motorsport und Klassik als sportlichem Träger, dem Fahrzeugentwickler LifeLive Gemany GmbH, der P1 Performance Fuels GmbH (fossilfreier Kraftstoff) und dem DMSB als Dachverband mit.

Der ADAC XC Cup debütierte im Jahr 2022 als erste deutsche Rennserie, in der 100 Prozent fossilfreier Kraftstoff genutzt wird. Die Teilnehmer starten mit einheitlichen Cross-Cars, die zunächst ausschließlich von Yamaha MT09-Motoren nach aktueller Abgasnorm angetrieben werden. Seit Saisonbeginn 2023 dürfen außerdem die auch in der FIA XC Academy verwendeten Yamaha MT07-Motoren genutzt werden. Die Leistungsstufen unterscheiden sich im Junioren- (70 PS) und Seniorenbereich (120 PS).

Durch die Nutzung des fossilfreien Treibstoffes konnte der CO2-Fußabdruck der Serie signifikant gesenkt werden. In der „Wheel-to-Wheel“-Betrachtung (das heißt, der Betrachtung der CO2-Emissionen von der Kraftstoffproduktion bis zur Verbrennung) fielen die Emissionen um 71 Prozent geringer aus.

Projekt bildet Meilenstein für den weiteren Weg

Im Rahmen des Praxis-Projekt konnte die Praxistauglichkeit synthetischer Kraftstoffe für den Motorsport unter Beweis gestellt werden. Es bildet damit einen Grundstein für den Zugang des Amateur- und Nachwuchs-Motorsport zu klimaneutralen Antriebstechnologien und ist sicherlich auch Ausgangspunkt für weiterführende Forschung im Feld der erneuerbaren Kraftstoffe, sowohl im Motorsport als auch im Verkehrssektor.

Wichtig ist auch die Signalwirkung des Projekts nicht nur in der Motorsport-Community, sondern auch über sie hinaus. So wurden Auszüge der Ergebnisse im Rahmen einer Veröffentlichung bei der „1. Tagung Fahrzeugantriebe mit erneuerbaren Kraftstoffen“ am 22./23. November 2022 in Stuttgart unter dem Titel „Advances in Fossil-Free Motorsports Fuels for Sustainable Transportation“ präsentiert.

 

Kontakt
Marvin Schmidt
Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe der TU Darmstadt (VKM)
marvin.schmidtvkm.tu-darmstadt.de
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Der ADAC XC Cup bietet Nachwuchsförderung, Wettbewerbgleichheit und Nachhaltigkeit unter einem Dach. Die Serie wurde 2022 zum ersten Mal ausgetragen und bietet Motorsportlern ab 13 Jahren die Möglichkeit, in baugleichen Cross-Cars gegeneinander anzutreten. Diese werden mit dem CO2-neutralen Kraftstoff von P1 betankt, der vom Veranstalter kostenlos zur Verfügung gestellt wird.
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