Peter Geishecker – der „Erfinder“ der 24h Nürburgring

Das Jubiläumsjahr des DMSB ist ein guter Anlass für Rückschau und Ausblick. Denn die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte waren sportlich wie organisatorisch äußerst vielfältig und spannend – und viele neue Herausforderungen bedeuten, dass es genau so bleiben wird. Dieser Artikel ist ein Teil der Themenreihe „25 Jahre DMSB“. Alle Berichte auf einen Blick finden Sie unter www.dmsb.de/25-jahre-dmsb

Ein Selfmade-Man und rheinischer Junge, ein knallharter Manager mit großem Herz, ein erfolgreicher Geschäftsmann und leidenschaftlicher Motorsportler: Auf Peter Geishecker (*1973, +2021) passen viele Etiketten – und doch keines so ganz richtig. Er habe „Motorsport studiert“, witzelte er gerne über sich selbst und verschwieg dabei gerne, dass ihn Jahre und Jahrzehnte in der Vollgasbranche und vor allem als prägender Kopf der 24h Nürburgring auch einiges an Menschenkenntnis gelehrt hatte.

Geishecker stammte aus Köln, wo er sich zum Start seines Berufslebens vor allem mit jungem Gemüse abgab: Er führte den elterlichen Obst- und Gemüsehandel, der ihm genügend Zeit (und finanzielle Mittel) gab, nebenbei aktiv Motorsport zu betreiben. VW Käfer, Porsche, Alfa Romeo waren die fahrbaren Untersätze, doch dann kam gleich eine zweifache Zäsur. Im Beruf orientierte sich der Technikfan immer stärker auf die endlich preiswert erhältlichen und leistungsfähigeren Computer. Das von ihm aufgebaute Unternehmen „WIGE Data“ leistete bei der elektronischen Zeitnahme und Auswertung absolute Pionierarbeit. Und das nicht nur im Motorsport: Aus bescheidenen Anfängen im Motorsport mauserte sich das Unternehmen schnell zum weltweiten Akteur, wurde Partner bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften und vielen anderen Events.

Parallel hatte Geishecker außerdem eine TV-Sparte aufgebaut, die nicht minder innovativ war und schon bald nicht mehr von den Rennstrecken wegzudenken war. 2009 zog er sich als Vorstandsvorsitzender eines zur Aktiengesellschaft gereiften Unternehmens zurück, das in den Folgejahren durch die Umwälzungen in der Medienbranche allerdings eine sehr wechselvolle Geschichte nahm. Heute ist Sporttotal als Nachfolgeunternehmen als anerkannter Dienstleister für Vermarktung, Streaming, Event-Services und vieles mehr fest etabliert.

Vom Rennfahrer zum Renn-Manager
Hätte man Geishecker nur in seiner beruflichen Rolle gekannt – er wäre als erfolgreicher Unternehmer im Gedächtnis geblieben. Doch den Geschäftsmann gab es nicht ohne den leidenschaftlichen Ehrenamtler im Motorsport. 1977 stieß er erstmals zum Team des 24h-Rennens auf dem Nürburgring, wo er sich bis 1979 als „Leiter Start/Ziel“ mit Kompetenz und Souveränität für verantwortlichere Rollen empfahl. So wurde er 1981 zum Rennleiter und behielt diese Rolle bis 1995. Sein Credo war das der „freundlichsten Rennleitung der Welt“, und mit dieser familiären Atmosphäre prägte er das heutige Mega-Event auf dem Nürburgring über lange Jahre. Anekdoten wissen zu berichten, dass sich Piloten, die zur Sportstrafe an die Box mussten, diese in Form einer Kaffeepause mit dem Rennleiter ableisteten, bei der in freundlichem Ton ruhige und klare Worte gesprochen wurden. Dass den Piloten dabei die Zeit unter den Nägeln brannte versteht sich von selbst.

Die Fähigkeit, mit Freundlichkeit und Verbindlichkeit etwas zu bewegen, brachte das Rennen deutlich vorwärts. 1989 übersprang die Zuschauerzahl erstmals die Marke von 100.000 Besuchern. 1996 wechselte der Kölner in die Rolle des Orgaleiters, die er bis zu seinem Abschied 2014 ausfüllte – und dabei zur Höchstform auflief. Ein liberales Reglement begeisterte Fans und Aktive, bis zu 200 Rennwagen rollten in diesen Jahren an den Start. Und weil praktisch jeder willkommen war, der ein nordschleifentaugliches Fahrzeug auf die Räder stellte, gab es in dieser Zeit auch mal kuriose Starts wie die eines VW-Busses oder einen (fast) serienmäßigen Citroën im Taxi-Design. Durch ein Rahmenprogramm voller Highlights boten (und bieten) die vier Renntage obendrein jede Menge Action. Highlights waren etwa die Auftritte der DTM in den 80er und 90er-Jahren, doch auch sonst gab es mit den Rahmenrennserien immer etwas zu erleben.

Zur heutigen Größe und Bedeutung trug aber vor allem die Öffnung für GT3- und GT4-Fahrzeuge bei, die dem 24h-Rennen noch einmal einen Schub gab. Noch rasanter, noch spannender, noch heißer umkämpft waren Siege und Sekunden, und Geishecker hatte seine wahre Freude daran. Denn natürlich konnte er auch nach dem Ausscheiden als Orgaleiter nicht von „seinem“ Rennen lassen. Bis 2016 noch saß er im Organisations-Komitee des veranstaltenden ADAC Nordrhein, bevor er sich endgültig in die Rolle des Mentors und Nestors beschränkte. Für sein Wirken erhielt er zahlreiche Ehrungen und Würdigungen. Die vielleicht gewichtigste war die Verleihung des DMSB-Pokals, der höchsten Auszeichnung im deutschen Motorsport, mit dem der DMSB sein Lebenswerk im Jahr 2014 würdigte.

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