Die Motorsport-Zukunft hat längst begonnen

Das Jubiläumsjahr des DMSB ist ein guter Anlass für Rückschau und Ausblick. Denn die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte waren sportlich wie organisatorisch äußerst vielfältig und spannend – und viele neue Herausforderungen bedeuten, dass es genau so bleiben wird. Dieser Artikel ist ein Teil der Themenreihe „25 Jahre DMSB“. Alle Berichte auf einen Blick finden Sie unter www.dmsb.de/25-jahre-dmsb

Auch wenn es noch über eine Dekade bis zum endgültigen Verbrenner-Aus dauert, die Zeit drängt. „Praktisch die gesamte Automobilindustrie hat den Abschied vom Verbrennungsmotor eingeläutet“, weiß Motorsport-Manager Volker Strycek, der dem DMSB sein Know-how als Mitglied im Expertenbeirat Nachhaltigkeit zur Verfügung stellt. „Motorsport treibt die Vorausentwicklung für die Serie unter maximal möglichen Belastungen voran“, beschreibt er. Und damit hat er schon heute Aufgaben zu lösen, die künftig auch im Straßenverkehr zu bearbeiten sind: Lade-Infrastrukturen und ausreichende Stromversorgung etwa, um kurze Ladezeiten zu ermöglichen. Oder auch: die sichere Versorgung mit defossilisierten Treibstoffen sicherzustellen – also Sprit für Verbrennungsmotoren, der CO2-neutral aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Mit dem Blick des erfahrenen Praktikers kommt Strycek deshalb zu einem simplen Schluss: „Der Weg führt zu Hybridsystemen. Und dabei sind solche Antriebe der Königsweg, die rekuperieren.“ Damit ist gemeint: Die Energie, die das Fahrzeug nicht für den Vortrieb benötigt – also etwa Motorhitze oder vor allem die beim Bremsen freiwerdende Kraft – werden zurückgewonnen und stehen dem elektrischen Antrieb anschließend wieder zur Verfügung. Und Wasserstoff? „Es darf kein No-Go geben“, sagt der motorsporterfahrene Ingenieur und Manager Strycek, „aber in diesem Feld ist die Technologie einfach noch zu sehr in Entwicklung. Wasserstoff ist wohl eher ein Teil der weiteren als der näheren Zukunft.“

Ganz Motorsport-Typisch sind die Lösungsansätze für den Weg zu künftigen Antrieben vielfältig und machen das Geschehen ebenso spannend wie unübersichtlich. Doch klar ist eines: Im Spitzensport sind elektrische oder teilelektrische Antriebe längst angekommen. Die Formel E geht seit Jahren voran, doch auch anderswo hat die Zukunft begonnen: In Le Mans siegen Hybrid-Toyota und auch die Rallye-WM setzt auf Hybridantrieb für die Rallye1-Fahrzeuge. Der Tourenwagen-Weltcup WTCR wird ab 2023 endgültig von der elektrischen ETCR als „Königsklasse“ im Tourenwagensport abgelöst, und die Formel 1 hat sich im Sommer 2022 für die Einführung eines ambitionierten Hybridreglements ab 2026 entschieden. Auch auf nationaler Ebene werden längst Erfahrungen gesammelt. Volker Strycek begleitet als Fahrzeug- und Technikexperte den ADAC Opel e-Rally Cup und kann ein Lied davon singen, wie anspruchsvoll die Versorgung mit grünem Strom vor Ort sein kann. „Wir laden im Cup klimaneutral und müssen immer wieder eine Lösung finden, wie der entsprechende Strom aus dem Netz entnommen werden kann.“ Dabei bedient sich die Serie etwa aus dem Mittelstromnetz oder geht – wie bei der Rallye Stemweder Berg – den Königsweg: „Dort konnten wir den Strom direkt aus einem Windkraftrad in unmittelbarer Nähe beziehen“, erklärt er.

Neue Reglements erforderlich

Rein elektrische Antriebe mögen dabei für viele Motorsportler ungewohnt sein, aber sie sind gut beherrschbar. Strycek: „Der Aufwand für die Teams im e-Rally Cup ist geringer als bei Verbrennungsmotoren.“ Dennoch müssen noch viele Themen bearbeitet und gelöst werden, bevor auch der nationale Motorsport wirklich auf breiter Front mit den modernen Antrieben durchstartet. Dabei ist auch der DMSB gefordert, denn natürlich müssen Reglements geschaffen werden, die diesen Fahrzeugen gerecht werden. Auch in der Ausbildung von Sportwarten ändern sich Details, denn elektrische Komponenten haben Sicherheitsrisiken, die gut beherrschbar, aber ebenfalls spezifisch sind. Und nicht zuletzt müssen Infrastrukturen vorhanden sein. Denn die Fahrzeugtechnik taugt bereits heute zum Wettbewerbseinsatz und wird mit rasanter Geschwindigkeit weiterentwickelt.

Rein batterieelektrisch könnten bereits heute Wettbewerbe ausgetragen werden. Rallye, Kartsport, Motocross, Trial, Automobil-Slalom, Bergrennen: Überall, wo der einzelne Heat über eine kurze Distanz führt, könnten elektrische Fahrzeuge bereits heute ohne weiteres starten – wenn denn die Rahmenbedingungen passen und zum Beispiel vor Ort für die schnelle Aufladung mit „grünem“ Strom gesorgt wäre. In anderen Disziplinen könnte es noch ein wenig länger dauern, aber die Verfügbarkeit von Systemen ist auch hier in Sichtweite – etwa in Form von Hybridlösungen. Der Schritt, bis diese Zukunft beginnt, ist also vermutlich nicht mehr all zu groß. Schließlich werden in der Industrie die Technologien mit Hochdruck entwickelt. Und Motorsport ist eben ein klassisches und nach wie vor hervorragend geeignetes Testfeld, um diese dann unter härtesten Einsatzbedingungen zu erproben: Dem Start in den Motorsport von morgen steht also nichts im Wege.

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