Norbert Haug erfand „Racing made in Germany” neu

Das Jubiläumsjahr des DMSB ist ein guter Anlass für Rückschau und Ausblick. Denn die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte waren sportlich wie organisatorisch äußerst vielfältig und spannend – und viele neue Herausforderungen bedeuten, dass es genau so bleiben wird. Dieser Artikel ist ein Teil der Themenreihe „25 Jahre DMSB“. Alle Berichte auf einen Blick finden Sie unter www.dmsb.de/25-jahre-dmsb

Weltkarrieren verlaufen nicht immer gradlinig – Norbert Haug ist dafür ein gutes Beispiel. Bevor aus dem 1952 geborenen Schwarzwälder einer der erfolgreichsten Motorsportmanager der vergangenen Jahrzehnte wurde, zog es ihn zur schreibenden Zunft. Haug lernte als 21-Jähriger das Journalistenhandwerk von der Pike auf als Volontär bei der Pforzheimer Zeitung. Gleich anschließend wechselte der autobegeisterte junge Mann zu den Blättern, die ihm thematisch weit mehr lagen. Bei der Motor Presse Stuttgart brachte er es bis 1988 zum stellvertretenden Chefredakteur.

Als Fachjournalist knüpft man Kontakte, führt Gespräche und hinterlässt Eindruck. Und man erhält Angebote. Ende 1990 wechselte der Enddreißiger zu Daimler-Benz, wo das Engagement in der Gruppe C gerade aufgebohrt wurde. Denn aus der Unterstützung des Sauber-Teams, das schon zuvor mit den Stuttgarter Motoren sehr erfolgreich war, wurde ein echtes Werksengagement. Der C11 von 1990 war der erste Rennwagen seit dem W196 von 1955, der offiziell wieder den Namen „Mercedes-Benz“ trug. Und er hatte alles abgeräumt: Marken-Titel, die ersten drei Plätze in der Fahrer-Wertung, Siege in allen Rennen bis auf eines. Ein enormer Druck für einen neuen Chef. Aber wo der Stern ist, ist vorne – das ist eben das Selbstverständnis „beim Daimler“. Norbert Haug selbst formulierte das so: „Hat man keinen Erfolg, schaut einen selbst der Pförtner schief an. Hat man Erfolg, tragen sie dich durchs Werkstor.“ Und es gab in den folgenden Jahren reichlich Anlass, den Schwaben auf Schultern zu tragen.

Das Gruppe-C-Abenteuer von Mercedes-Benz endete aber bald, andere Betätigungsfelder rückten in den Mittelpunkt. Und das war zunächst vor allem die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft, die in dieser Zeit echte Boomjahre erlebte. Volle Zuschauerränge, große Medienresonanz, harter Wettbewerb: Da war Haug genau in seinem Element – und er prägte die Meisterschaft in den Folgejahren am Rand der Strecke mit. Als Chef knallhart, verlangte er nicht weniger als totales Engagement. Wer weniger gab, war in seinem Team schnell weg vom Fenster. So lenkte er als Sportchef seine Piloten von Erfolg zu Erfolg, 1992 und 1994 gelang mit Klaus Ludwig die Meisterschaft. Ein Jahr später folgte der Doppeltitel von Bernd Schneider in der internationalisierten DTM / ITC. Bis zu seinem Ausscheiden bei Mercedes-Benz kamen noch viele Titel und Siege hinzu – allein vier Fahrer-Titel steuerte Bernd Schneider bei.

Der Sprung in die Formel 1

Doch selbst die Riesenerfolge mit den technisch immer anspruchsvolleren DTM-Tourenwagen waren als alleiniges Feld von Mercedes-Benz unter Sportchef Haug nicht genug. Schließlich blieb eine Spitzenklasse zu erobern: die Formel 1. Und wieder war es Sauber, mit denen man kooperierte. Der Schweizer Rennstall fuhr bereits 1993 den Schriftzug „Concept by Mercedes-Benz“ spazieren, ab 1994 wechselte das Team die Bezeichnung zu „Sauber-Mercedes“. Bereits ein Jahr später aber wurde die Zusammenarbeit zugunsten der Unterstützung des britischen McLaren-Teams beendet, ab 2009 wurde das Engagement mit Brawn GP weitergeführt, das zur vollständigen Konzerntochter wurde. Seit 2010 ging Mercedes dann mit einem werkseigenen Team an den Start – das hatte es seit den 50ern nicht mehr gegeben.

Die Erfolge stellten sich – natürlich – ein: sechs Formel-1-Weltmeistertitel und 87 Rennsiege erzielte Mercedes unter Haugs Führung. Als er die Arbeit für das Unternehmen Ende 2012 beendete, bedankte sich Mercedes-Benz außerdem für insgesamt 32 Titel in der DTM. Alles zusammengenommen verantwortete er die Rennsportaktivitäten bei 986 Rennen von der Formel 3 über die Formel 1 und Indycar bis zum GT-Sport und der DTM. 439 Rennsiege kamen in den 22 Jahren zusammen. Nach dem Ende seiner Zeit als Sportchef ist Haug weiter in der Automobilindustrie tätig, ist aber zum Beispiel auch als Fernsehexperte für Motorsport ein gefragter Gesprächspartner. In Anerkennung seiner einzigartig erfolgreichen Karriere, die auch eine Werbung für „Racing made in Germany“ war, erhielt Haug 2013 die höchste Auszeichnung, die im deutschen Motorsport verliehen werden kann – den DMSB-Pokal.

Zurück