FIA Formel E setzt umfassend auf Nachhaltigkeit
Mit zahlreichen Ideen bildet die aktuell als ABB FIA Formula E World Championship ausgetragene Rennserie seit ihrer Premiere im September 2014 einen motorsportlichen Nachhaltigkeits-Leuchtturm. Der umfassende Ansatz basiert einerseits auf der Nutzung der fortschrittlichsten Elektrotechnologie in den Rennwagen. Abseits des eigentlichen Rennbetriebes stehen besonders nachhaltige Veranstaltungen sowie Maßnahmen abseits der Rennstrecke im Mittelpunkt der Überlegungen. Von Beginn an beteiligten sich deutsche Teams und Hersteller an der Meisterschaft, in die der DMSB auch wichtige Funktionäre entsendet bzw. entsendet hat. Zu ihnen gehörte etwa der Race-Director Niels Wittich oder aktuell Dr. Gernd Ennser und Achim Loth als permanente Sportkommissare. In ihrer Bilanz für 2022 gibt die FIA Formel E an, mit ihren vielen Aktionen Beiträge zu zehn der 17 UN-Nachhaltigkeitszielen geleistet zu haben.
1. Fahrzeuge und Technik
Aktuell werden in der Formel E die Rennwagen der dritten Fahrzeuggeneration verwendet. Diese sind leichter und leistungsfähiger als alle Vorgänger. Für die ursprünglich weitgehend einheitlichen Fahrzeuge der ersten Generation wurden im Laufe der Evolutionsstufen immer weitere Komponenten zur Entwicklung durch Teams und Hersteller freigegeben. Das lockte eine Reihe internationaler Top-Marken an, bei denen zwischenzeitlich etwa Audi, Porsche, BMW und Mercedes-Benz die deutschen Akzente setzen. Aktuell (2024) sind Abt-Cupra und Porsche als deutsche Vertreter aktiv.
a) Formel E Generation 3
Seit 2022 werden Formel-E-Fahrzueuge der dritten Generation eingesetzt, die hinsichtlich der Energieeffizient und Leistungsfähigkeit einen weiteren Sprung nach vorne bedeuten. Nachhaltigkeit stand im Mittelpunkt des Designs und alle mit der Entwicklung und Produktion der Fahrzeuge verbundenen Emissionen wurden ausgeglichen.
Die aktuellen Motoren verfügen über eine Leistung von maximal 350 kW (470 PS) und einen Wirkungsgrad von etwa 95 Prozent (im Vergleich: Leistungsstarke Verbrennungsmotoren erzielen etwa 40 Prozent). Als erstes Formelfahrzeug sind die Formel E Gen3 mit Motoren an Vorder- und Hinterachse ausgestattet, was auch zusätzliche Potenziale der Energierückgewinnung eröffnete: Während des Rennbetriebes werden rund 40 Prozent der benötigten Energie über Rekuperation selbst erzeugt. – die Rekuperationsleistung wird mit 600 kW angegeben. Gespeist werden die Aggregate von Batterien, die sich hinsichtlich der Leistungsdaten auf der Höhe des technisch Machbaren bewegen. Gleichzeitig werden für ihren Bau nachhaltig gewonnene Rohstoffe verwendet. Am Ende der Lebenszeit werden sie zu einem großen Teil recycelt.
Auch auf der Karosserieseite setzt die Formel E auf wiederverwendbare Rohstoffe, indem etwa in der Karosseriekonstruktion natürilche Werkstoffe wie Leinen eingesetzt werden oder recycelte Karbonfasern von ausgemusterten Gen2-Fahrzeugen genutzt werden. Die von Hankook gelieferten Allwetterreifen bestehen zu einem Viertel aus Naturkautuschuk und recycelten Fasern. Pro Rennwochenende stehen zwei Sätze Reifen zur Verfügung, es wird eine einzige Spezifikation verwendet, was den Logistikaufwendungen verringert. Für alle verwendeten Teile (Reifen, Batterien, Karosserie etc.) ist in der Formel E ein Recyclingprozess vorgesehen.
Alle Zulieferer der Gen3-Fahrzeuge arbeiten nach den höchsten internationalen Standards zur Verringerung der Umweltauswirkungen bei der Herstellung (ISO 14004) und müssen im Umweltakkreditierungsprogramm der FIA die höchste (Drei-Sterne-) Stufe erreichen.
b) Technische Evolutionen
Zu Beginn der Formel E waren die Fahrzeuge in großen Teilen einheitlich. Dies änderte sich im Zuge der Evolution zur jeweils nächsten Fahrzeuggeneration. Sukzessive wurden verschiedene Bereiche geöffnet und die Serie so für Hersteller als Demonstrationsplattform für die eigene technologische Kompetenz interessanter. Gleichzeitig stiegen die Leistungsdaten signifikant. Im Vergleich zur ersten Generation verfügen die aktuellen Formel-E-Monoposti über 100 kW mehr Leistung, sind gut 100 km/h schneller, 60 kg leichter und haben eine annähernd doppelt so große Reichweite. Die folgende Tabelle verdeutlicht die Evolution anhand einiger Kerndaten:
Erste Generation | Zweite Generation | Dritte Generation | |
2014 – 2018 | 2018 – 2022 | ab 2022 | |
Fahrzeug | Spark Renault SRT_01 E | Spark SRT_05 | Spark Sport Gen3 |
Motor | Einheitlicher Motor von McLaren Electronic Systems | Eigenentwicklungen verschiedener Hersteller | |
Motorenposition | Heck | Heck | Front und Heck |
Kraftübertragung | Sequenzielles Fünfgang- Getriebe (Hewland) | Eigenentwicklungen verschiedener Hersteller | |
Leistung | Max. 250 kW (Qualifying) max 200 kW (Rennen) | Max. 300 kW (Qualifying) max 220 kW (Rennen) | Max. 350 kw (Qualifying) max 300 kW (Rennen) |
Energie-Rückgewinnung | Rekuperation max. 100 bis 150 kW | Rekuperation | Rekuperation max. 600 kW |
Vmax | 225 km/h | 280 km/h | 320 km/h |
Gewicht | 900 kg | 920 kg | 840 kg |
Reichweite | 50 km | 100 km | 94 km |
Batterien | Williams Advanced Engineering, Lithium-Ionen | McLaren Applied Technologies, Lithium-Ionen | Williams Advanced Engineering, Lithium-Ionen |
Batteriegewicht | 200 kg | 385 kg | 284 kg |
Maximalleistung | max 28 KWh | 56 kWh | 51 kwh |
Reifen | Michelin, einheitliche Allwetter-Spezifikation | Hankook, einheitliche Allwetter-Spezifikation mit Verwendung von Bio-Werkstoffen und nachhaltigem Gummi |
2) Nachhaltige Veranstaltungen
Die FIA Formel E ist bemüht, bei ihren Veranstaltungen hohe Nachhaltigkeitsmaßstäbe zu erfüllen. Dies reicht von der Optimierung von Transport und Logistik vor den Events über die Verwendung von nachhaltigen Materialien vor Ort bis hin zur Durchführung von Side-Events, die bewusst auf die Nachhaltigkeitsziele der UNO abzielen. Die Spanne reicht von Detaillösungen wie dem Verzicht auf Einwegkunststoffe vor Ort bis hin zu umfassenden Ansätzen, wie der Gestaltung des Saisonkalenders mit Blick auf die Verringerung von Logistikoperationen und der mit ihnen verbundenen CO2-Emissionen.
Bei jedem Event werden rund um das Rennen gezielt auch Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit lokalem Fokus ergriffen. So zählt der Nachhaltigkeitsbereicht der FIA Formula E Season 8 für 2022 in Berlin eine große Veranstaltung des Programms „FIA Girls on Track“ auf. Außerdem gab es dort eine Inklusions-Veranstaltung, ein Round-Table-Gespräch sowie eine Spendenaktion für Opfer des Ukraine-Kriegs. Ähnliche Aktionen mit den unterschiedlichsten Fokussen wurden bei anderen Läufen ergriffen, sodass in der Summe eine Vielzahl von beispielhaften Projekten im Nachhaltigkeitsbericht der Formel E 2022 zu finden sind.
Die Formel E ist die erste und einzige Kategorie im Motorsport, die die ISO 20121-Zertifizierung durch Dritte erhalten hat, den internationalen Standard für Nachhaltigkeit bei Veranstaltungen. Seit ihrer Gründung verfolgt sie die Verpflichtung eine „Net Zero Carbon“-Meisterschaft zu sein, sie bilanziert und verbessert ihre Klimabilanz seit der ersten Saison stetig. Der Plan ist dabei, die Gesamtemissionen bis zum Jahr 2030 um 45 Prozent zu senken. Noch vorhandene CO2-Emissionen kompensiert die Meisterschaft durch entsprechende Maßnahmen (siehe Abschnitt 3). Im FIA Environmental Accreditation Programme wurde sie 2015, 2018 und 2021 jeweils auf dem höchsten Drei-Sterne-Niveau testiert. Ihre Bemühungen werden durch ein unabhängiges externes Institut untersucht und bewertet (Global Sustainability Benchmark in Sports – GSBS). Sie ist ihrer eigenen Aussage nach die „nachhaltigste Sportart der Welt".
3) Maßnahmen abseits der Rennstrecke
Ihren umfassenden Ansatz dokumentiert die Formel E durch Maßnahmen, die abseits der Rennstrecke erfolgen. Sie zielen etwa auf den CO2Abdruck des Championats und gleichen verursachte Emissionen aus. So wurde in der Saison 2022 ein mexikanisches Windparkprojekt unterstützt, das mit einer Kapaität von rund 138 MW erneuerbare Energie produziert. Mit dieser Investition wurden 33.800 t CO2-Emissionen kompensiert, insgesamt errechnete die FIA Formel E die bis dahin eine Gesamtkompensation von 209.400 t CO2. Gleichzeitig arbeitet die Rennserie an der Reduzierung ihres CO2-Abdrucks und errechnet für ihre achte Saison eine Senkung der Emissionen um 24 Prozent gegenüber der fünften Saison.
In Zusammenarbeit mit der UNICEF legte die Formel E 2022 eine Kampagne mit dem Titel „Take a Breath“ auf. In ihr wies UNICEF-Botschafter und Marvel-Darsteller Tom Hiddleston auf die Auswirkung verschmutzer Luft auf Kinder hin. Die Kampagne erreichte 67 Millionen Menschen weltweit. Ein anderes Projekt war die Bereitstellung von zwölf Stationen, die sauberes Trinkwasser für über 10.000 mexikanische Schulkinder bereitstellen. Im Rahmen der UNICEF-Partnerschaft wurden „positive Auswirkungen auf fast 700.000 Kinder“ erzielt.
Insgesamt gibt die Formel E für ihre Season 8 Gesamtinvestitionen in Höhe von 500.000 Euro für philantropische Zwecke an, mit denen knapp 12.000 Kindern in den jeweiligen Regionen geholfen wurde. Über 110.000 Euro wurden in weitere Initiativen zum „lokalen gemeinscahftlichen Engagement“ investiert. Sie arbeitete mit 77 Universitäten, Schulen, Wohlfahrtsverbänden und kommunalen Gruppen zusammen.